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„Bis dass der Tod uns scheidet – und nicht darüber hinaus“ Altersabstandsklausel in der betrieblichen Hinterbliebenenvorsorge ist wirksam

I. Einleitung

Wir leben in einem modernen Zeitalter, welches sich unter anderem durch die Vielfalt verschiedener Lebensmodelle auszeichnet. Von der „klassischen" Vater-Mutter-Kind/er-Komposition über Patchwork-Variationen und Singlehaushalten bis hin zur nunmehr eingeführten Ehe homosexueller Paare haben die verschiedensten Konstellationen Eingang in unsere Gesellschaft gefunden. Den Arbeitgeber hat es grundsätzlich nicht zu interessieren, wie sein Arbeitnehmer sein Privat- und Familienleben gestaltet. Anders ist dies dann, wenn die Lebensführung des Arbeitnehmers wirtschaftliche Auswirkungen für den Arbeitgeber hat – so sieht es zumindest das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seiner Entscheidung vom 20. Februar 2018 (3 AZR 43/17). Danach habe der Arbeitgeber ein berechtigtes Interesse daran, Ehegatten, welche mindestens 15 Jahre jünger seien als ihre Partner, im Rahmen einer Versorgungsordnung der betrieblichen Altersvorsorge von der Hinterbliebenenversorgung (gänzlich) auszuschließen.

II. Die Entscheidung

Das BAG hatte sich in seiner Entscheidung mit dem Fall zu befassen, dass die Versorgungsordnung des Arbeitgebers eine Ehegattenrente vorsah, welche u.a. voraussetzte, dass „der Ehegatte nicht um mehr als 15 Jahre jünger ist als der Berechtigte". Geklagt hatte die etwa 18 Jahre jüngere Witwe eines Arbeitnehmers. Sie verlangte die Zahlung der Hinterbliebenenvorsorge sowie die Feststellung, dass der Arbeitgeber ihres Mannes bzw. der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung auch in Zukunft verpflichtet sei, ihr die monatliche Ehegattenrente auszuzahlen. Sie vertrat die Auffassung, dass der Ausschlusstatbestand eine unzulässige unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters darstelle und daher unwirksam sei.

Das Landesarbeitsgericht Köln war der Auffassung der Klägerin in zweiter Instanz im Kern gefolgt und hatte in der Altersabstandsregelung eine unwirksame Altersdiskriminierung gesehen. Das BAG hat dieses Berufungsurteil aufgehoben. Es vertritt die Ansicht, die besagte Klausel sei zwar benachteiligend – aber gerechtfertigt. Einleitend setzt sich das BAG mit dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auseinander und stellt klar, dass es im Rahmen einer abstrakten Betrachtung nicht auf die Person des Hinterbliebenen ankommt, sondern die des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers. Dieser könne durch die getroffene Regelung unmittelbar aufgrund des Alters benachteiligt werden. Denn ausgehend von einem Ehemündigkeitsalter von 18 Jahren könnten von der Regelung regelmäßig nur Arbeitnehmer erfasst sein, die bei der Eheschließung das 33. Lebensjahr vollendet hätten.

Diese unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters sei jedoch sachlich gerechtfertigt. Zum einen geht das BAG in Anlehnung an § 10 Satz 3 Nummer 4 AGG, welcher eine Altersgrenze bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als grundsätzlich zulässig bestimmt, davon aus, dass damit der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck komme. Die Festsetzung von Altersgrenzen für den Anspruch auf Leistungen aus den dort aufgeführten betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit sei insoweit grundsätzlich gerechtfertigt im Sinne des AGG. Zum anderen werde in jedem Fall das legitime sozialpolitische Ziel der Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung verfolgt. Dazu gehöre auch, den unternehmerischen Belangen im Rahmen einer begrenz- und kalkulierbaren Belastung Rechnung zu tragen. Diesem berechtigten Bestreben, eine verlässliche und überschaubare Kalkulationsgrundlage zu schaffen, diene die Altersabstandsregelung, da gerade die (freiwillig angebotene) Hinterbliebenenversorgung zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken in Bezug auf Zeitpunkt und Dauer der Leistungserbringung mit sich bringe. Der Ausschlusstatbestand sei angemessen, da er zu keiner übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen der benachteiligten Arbeitnehmer führe. Dieses bestehe zwar in der Versorgung ihrer Hinterbliebenen – und zwar unabhängig von deren Alter. Zudem handele es sich bei der Hinterbliebenenversorgung um Entgelt, das die versorgungsberechtigten Arbeitnehmer als Gegenleistung für ihre im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhielten. Dem stehe jedoch entgegen, dass bei einem Altersunterschied von mehr als 15 Jahren im Vorhinein bekannt sei, dass der jüngere Ehegatte seinen Lebensabend typischerweise ohne den Partner und die daran gekoppelte Versorgungsmöglichkeit verbringen werde. Dieses strukturell im Lebenszuschnitt und damit in der Sphäre des Arbeitnehmers angelegte Risiko müsse der Arbeitgeber nicht durch die Zusage einer Hinterbliebenenversorgung übernehmen. Der in der Regelung konkret gewählte Altersabstand von 15 Jahren sei ebensowenig zu beanstanden, da er sich ausreichend an demographischen Kriterien orientiere. 80 % der Ehepaare in Deutschland wiesen einen Altersabstand von weniger als sieben Jahren auf. Die 15-Jahres-Hürde grenze sich mithin ausreichend vom typischen „Normalfall" ab. Das BAG sieht schließlich kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Zielerreichung. So seien eine Staffelung oder Quotelung der Ehegattenrente, ein nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnetes Abschmelzen oder ein späterer Zahlungsbeginn nicht in gleicher Weise wirksam, da sie nicht zu einem vollständigen Ausschluss der Hinterbliebenen von der Hinterbliebenenversorgung führe. Auch ließe sich durch eine Beschränkung der Bezugsdauer oder die Festlegung einer Höchstsumme die beabsichtigte Begrenzung der finanziellen Risiken für den Arbeitgeber nicht mit der gleichen Genauigkeit erreichen.

III. Auswirkungen für die Praxis

Bei der Hinterbliebenenvorsorge handelt es sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Daher ist es begrüßenswert, dass die Entscheidung des BAG stark auf dessen berechtigte Interessen abstellt. Der Arbeitgeber schafft mit der jeweiligen Versorgungsordnung selbst die Anspruchsgrundlage für eine betriebliche Hinterbliebenenvorsorge und bleibt in gewissen Grenzen Herr seiner selbst gewählten Leistungsverpflichtung. Allerdings kann die Urteilsbegründung nicht ganz nachvollzogen werden. Dem BAG ist sicherlich insoweit zuzustimmen, als dass die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge ein legitimes Ziel ist und dem Arbeitgeber nicht zu enge Fesseln angelegt werden dürfen, da er ansonsten von der Gewährung dieser sozialen Leistungen Abstand nehmen könnte. Allerdings ist nicht verständlich, warum das BAG einerseits maßgeblich auf das berechtigte Arbeitgeberinteresse an einer verlässlichen und überschaubaren Kalkulationsgrundlage abstellt und andererseits eine Beschränkung der Höchstdauer oder eine Beschränkung der Bezugsdauer nicht als gleichwertiges milderes Mittel anerkennt. Diese würden sicherlich klar und vorhersehbar das bestehende finanzielle Risiko definieren und eingrenzen sowie einen gerechten Interessenausgleich gewährleisten. Demgegenüber benachteiligt die streitgegenständliche Altersabstandsgrenze den Arbeitnehmer letztlich nicht nur aufgrund seines Alters, sondern auch aufgrund seiner persönlichen Lebensführung. Im Übrigen wird anhand des Urteils wieder einmal deutlich, dass das AGG viel Raum für Auslegungsfragen zu Lasten der Rechtssicherheit bietet. Maßgeblich ist und bleibt der Einzelfall, weshalb bei der Schaffung von Versorgungszusagen weiterhin große Vorsicht geboten ist.

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