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Neues zur sachgrundlosen Befristung bei Vorbeschäftigung aus Erfurt – 22 Jahre sind tatsächlich eine sehr lange Zeit!

I. Worum geht's?

Das Befristungsrecht enthält für Arbeitgeber einige Klippen, die es zu umschiffen gilt, um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zu vermeiden. Dazu gehört seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juni 2018 (1 BvL 7/14 u. 1 BvR 1375/14) auch die Frage, wie weitreichend das Vorbeschäftigungsverbot nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG zu verstehen ist. Im Grundsatz ist eine sachgrundlose Befristung nach dieser Vorschrift unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Im Jahr 2011 hatte das Bundesarbeitsgericht insoweit festgestellt, dass dieses Vorbeschäftigungsverbot zeitlich lediglich auf eine Dauer von drei Jahren beschränkt war. Diese für die betriebliche Praxis äußerst begrüßenswerte und praktikable Rechtsprechung ist durch die Richter des BVerfG mit dem vorgenannten Beschluss gekippt worden.

Gleichwohl hat das BVerfG anerkannt, dass das Vorbeschäftigungsverbot nicht grenzenlos gilt. So könne das generelle Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar sein, wenn die Vorbeschäftigung sehr lange zurückliege, ganz anders geartet oder nur von sehr kurzer Dauer gewesen sei. Wie die Kriterien genau zu verstehen sind und unter welchen Voraussetzungen eine sachgrundlose Befristung nach Vorbeschäftigung überhaupt noch möglich ist, ist weitgehend ungeklärt und stellt Arbeitgeber vor erhebliche Rechtsunsicherheiten. Das BAG hat sich diesen Fragen mit mehreren Entscheidungen in 2019 jedoch zumindest angenähert.

II. Erste Konkretisierungen durch das BAG

Der 7. Senat hat zunächst Anfang des Jahres (Urt. v. 23. Januar 2019 – 7 AZR 733/16) aufgrund der Entscheidung des BVerfG seine bisherige Rechtsprechung grundlegend geändert und gleichzeitig zumindest einige Konkretisierungen vorgenommen:

  • Danach ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG unzulässig, wenn mit einem Arbeitnehmer acht Jahre zuvor ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis bestand. In Parallelverfahren wurden insoweit konsequent auch dreieinhalb und fünfeinhalb Jahre als ein nicht ausreichend langer Zeitraum angesehen (Urt. v. 23. Januar 2019 – 7 AZR 161/15 u. 7 AZR 13/17).
  • Mit Blick auf das Kriterium der „sehr kurzen" Vorbeschäftigung sind die Ausführungen leider vage geblieben. Verwiesen wird insoweit auf § 1 Abs. 1 KSchG, wonach ein Arbeitnehmer nach Ablauf von sechs Monaten Kündigungsschutz erwerbe. Mit einer vorübergehenden Aushilfe könne zudem gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB einzelvertraglich keine kürzere als die in § 622 Abs. 1 BGB genannte Kündigungsfrist vereinbart werden, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt werde. Im Hinblick auf diese Fristen sei ein Zeitraum von etwa 18 Monaten keinesfalls als sehr kurz anzusehen. Während die Anlehnung an die sechs Monate des § 1 Abs. 1 KSchG noch gut nachzuvollziehen ist, überrascht der Bezug auf die in § 622 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 BGB normierte Drei-Monats-Grenze für die Vereinbarung verkürzter Kündigungsfristen bei vorübergehenden Aushilfen. Gleichwohl wird man davon ausgehen müssen, dass eine „sehr kurze" Dauer der Vorbeschäftigung aktuell lediglich unter drei Monaten anzunehmen ist.
  • Ganz anders geartet kann die Vorbeschäftigung nach Ansicht des BVerfG und des BAG in folgenden Konstellationen sein: geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, Arbeit als Werkstudierender, studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder eine erzwungene (auch: freiwillige) Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.

III. Entscheidung vom 21. August 2019

Vor dem Hintergrund der Frage, wann tatsächlich eine „sehr lange Zeit" zur Vorbeschäftigung vorliege, wurde die am 21. August 2019 ergangene Entscheidung des 7. Senats (Az. 7 AZR 452/17) mit Spannung erwartet. Hier lag die Vorbeschäftigung ganze 22 Jahre zurück. Das BAG kommt ausweislich der bisher lediglich vorliegenden Pressemitteilung zu dem Ergebnis, dass das in § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG bestimmte Verbot der sachgrundlosen Befristung in verfassungskonformer Auslegung hier regelmäßig nicht zur Anwendung kommt. Entscheidend sei, dass eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht bestehe und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich sei, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

IV. Bedeutung für die Praxis

 Auch wenn die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, lässt sich nach dem jüngsten Urteil des BAG zumindest festhalten, dass das zeitliche Kriterium nicht nur eine theoretische Option zur Einschränkung des Vorbeschäftigungsverbots bleibt. Vorbeschäftigungen von mehr als 22 Jahren dürften in der Regel für § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG ohne Bedeutung bleiben. Damit hat die Rechtsprechung jedenfalls eine wichtige Maximalgrenze eingezogen.

Die nächste Frage ist damit aber zugleich formuliert: Welcher Zeitraum zwischen 8 und 22 Jahren gilt denn noch als „sehr lange Zeit"? Möglicherweise enthält die Urteilsbegründung hierzu erste abstrakte Hinweise. Anderenfalls muss (erneut) auf Erhellendes aus Erfurt gewartet werden. Bis dahin ist Arbeitgebern zu raten, von der sachgrundlosen Befristung bei erfolgter Vorbeschäftigung nur sehr dosiert Gebrauch zu machen. Außer in den Fällen der sehr kurzen Vorbeschäftigung von unter drei Monaten oder einer gänzlich anders gelagerten Tätigkeit im Sinne der oben genannten Beispiele, schwingt stets das erhebliche Risiko eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses mit. 

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