Gerade im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beendigungen von Arbeitsverhältnissen wird häufig eine unwiderrufliche Freistellung vereinbart, wenn das Arbeitsverhältnis erst zu einem späteren Zeitpunkt endet. Obwohl in der Phase der unwiderruflichen Freistellung das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht und in der Regel weiterhin auf dessen Basis Vergütung gezahlt wird, haben Zeiten der unwiderruflichen Freistellung bei der Berechnung der Höhe des Arbeitslosengeldes I eine andere Behandlung erfahren als „reguläre" Vergütung, die in einem normal fortgeführten Arbeitsverhältnis gezahlt wurde. Es entsprach insoweit der gängigen Praxis der Bundesagentur für Arbeit, Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung sowie die in diesem Zeitraum gezahlte Vergütung bei der Berechnung der Höhe des zu zahlenden Arbeitslosengeldes komplett unberücksichtigt zu lassen. Die den Entscheidungen der Bundesagentur für Arbeit zugrundeliegenden fachlichen Weisungen sahen dies ausdrücklich vor. 

I. Sachverhalt

Ebenso verhielt es sich bei der Klägerin. Diese hatte mit ihrem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen, der ab dem 1. Mai 2011 eine unwiderrufliche Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung und eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. April 2012 vorsah. In der Freistellungsphase verpflichtete sich die Klägerin, für Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewährte die Bundesagentur für Arbeit der Klägerin Arbeitslosengeld I, bei dessen Höhe sie die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung außer Betracht ließ und das Arbeitslosengeld lediglich auf Basis eines fiktiven, niedrigeren Einkommens gemäß § 152 SGB III berechnete. Der von der Bundesagentur für Arbeit gewährte kalendertägliche Anspruch belief sich daher nur auf EUR 28,72.

II. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. August 2018 – B 11 AL 15/17 R

Das Bundessozialgericht entschied, die Klägerin habe Anspruch auf ein kalendertägliches Arbeitslosengeld I in Höhe von EUR 58,41 – im Ergebnis also mehr als doppelt so viel wie zuvor. Die Berechnung des Arbeitslosengeldes habe unter Einbeziehung der während der Freistellung gezahlten Vergütung zu erfolgen. Die Berechnung des Arbeitslosengeldes aufgrund der fiktiven Bemessung sei ausgeschlossen, weil die Zeiten der unwiderruflichen Freistellung entgegen der fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 150 SGB III zu berücksichtigen seien. Da aufgrund der Berücksichtigung dieser Zeiten an insgesamt mehr als 150 Tagen innerhalb des einjährigen Bemessungszeitraums tatsächliches Entgelt bezogen wurde, dürfe die Berechnung nicht anhand der – regelmäßig niedrigen – fiktiven Bemessung, sondern nur anhand des tatsächlichen Einkommens erfolgen.

III. Auswirkung auf die Praxis

Die Entscheidung des Bundessozialgerichts ist sehr zu begrüßen. Mit der Regelung der Bundesagentur für Arbeit in ihren Fachlichen Weisungen zu § 150 SGB III im Jahr 2016 hat diese in der Praxis für erhebliche Verunsicherung gesorgt. Die Durchführungsanweisung zu § 150 SGB III sieht unter 150.1.2 Absatz 1 ausdrücklich vor, dass „Zeiten einer unwiderruflichen Freistellung [….] außer Betracht bleiben". Gleichwohl liegt der Struktur nach – insbesondere aufgrund des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses sowie der Beitragspflicht – eigentlich das Gegenteil nahe.

Auch die zweitinstanzlichen Entscheidungen zu diesem Themenkreis ergingen uneinheitlich. So entschieden das LSG Hessen und das LSG Hamburg für einen Ausschluss der Zeiten unwiderruflicher Freistellung (LSG Hessen, Beschluss vom 25. Juli 2017 – L7 AL 16/1/; LSG Hamburg, Urteil vom 5. April 2017 – L2 AL 84/16), dass LSG NRW aber für eine Berücksichtigung (LSG NRW, Urteil vom 23. Februar 2017 – L9 AL 150/15).

Die bisherige unterschiedliche Behandlung wurde damit gerechtfertigt, dass zwischen der beitrags- und der leistungsrechtlichen Betrachtung der Beschäftigungszeiten sowie der mit dieser verbundenen Vergütung zu unterscheiden sei. Da im Falle der unwiderruflichen Freistellung das Arbeitsverhältnis nicht mehr „richtig" vollzogen werde, sei die hierfür erlangte Vergütung kein reguläres Arbeitsentgelt. Diese Aufspaltung war jedoch kaum nachzuvollziehen. So hat ein Arbeitnehmer durch die im Rahmen der Freistellung erhaltene Vergütung ebenso seinen Lebensunterhalt gedeckt wie bei Erbringung der Arbeitsleistung. Darüber hinaus stieß auf, dass nach der alten Rechtsprechung für die in der Freistellungsphase gezahlte Vergütung Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in voller Höhe zu entrichten waren, diese Vergütung dann bei der Höhe der Arbeitslosengeldberechnung aber ausgeklammert wurde. Das damit erfolgende „Messen mit zweierlei Maß" zum Nachteil der Arbeitnehmer war in der Praxis kaum zu vermitteln.

Mit seiner Entscheidung hat das Bundessozialgericht es der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite wieder erleichtert, längere Freistellungsphasen in Beendigungsvereinbarungen vorzusehen. Hieran hat regelmäßig der Arbeitnehmer ein besonderes Interesse, um ihm die Bewerbung aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus zu ermöglichen. Gleichwohl ist die Vereinbarung einer längeren Freistellung nicht risikolos. So hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 12. Januar 2000 – 7 AZR 48/99 – klargestellt, dass ein Aufhebungsvertrag auf eine „alsbaldige Beendigung" des Arbeitsverhältnisses abzielen müsse. Anderenfalls sei er auf eine befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gerichtet, die zu ihrer Wirksamkeit eines sachlichen Grundes im Sinne des Teilzeit- und Befristungsgesetzes bedürfe. In der Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht eine alsbaldige Beendigung verneint, da zwischen dem Abschluss der Aufhebungsvereinbarung und dem beabsichtigten Beendigungszeitpunkt knapp drei Jahre lagen.

Problembewusstsein sollte mithin regelmäßig dann entstehen, wenn die Kündigungsfrist um ein Mehrfaches verlängert wird. Jedenfalls an einer einjährigen Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (neben der Regelung zahlreicher Modalitäten der Beendigung) nahm das Bundesarbeitsgericht in jüngerer Zeit mit den Entscheidungen vom 28. November 2007 – 6 AZR 1108/06 – sowie vom 10. November 2011 – 6 AZR 357/10 – jedoch keinen Anstoß.

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