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Urlaubsgewährung: Arbeitgeber in der Pflicht – BAG verlangt individuelles Hinweisschreiben

Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch eine vielbeachtete Entscheidung im November 2018 der bisherigen nationalen Praxis zum Verfall des Urlaubs einen Riegel vorgeschoben hatte, musste das Bundesarbeitsgericht (BAG) diese europarechtlichen Vorgaben nun umsetzen. Es geht dabei um die Frage, ob das Fehlen eines Urlaubsantrages im jeweiligen Kalenderjahr den Verfall des Urlaubsanspruchs bzw. – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – des Urlaubsabgeltungsanspruchs zur Folge haben kann.

1. BAG konkretisiert die Hinweispflichten des Arbeitgebers​

Nach Ansicht des EuGH ist es für einen Verfall des Urlaubs am Ende des Kalenderjahres erforderlich, dass der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer auffordert, ihren Urlaub zu nehmen und ihnen klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub andernfalls am Endes des Jahres verfällt. Diese recht allgemeinen Anforderungen hat das BAG zwischenzeitlich konkretisiert. Der nun veröffentlichten Entscheidung vom 19. Februar 2019 (9 AZR 423/16) lassen sich konkrete Handlungsvorgaben entnehmen:​ 

  • Individueller Hinweis auf den konkreten Urlaubsanspruch: Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer unter konkreter Bezeichnung des ihm zustehenden (Rest-)Urlaubsanspruchs und des jeweiligen Kalenderjahres zur Inanspruchnahme seines Urlaubs aufzufordern.
  • Hinweis auf den Verfall: Zudem muss ein klarer und verständlicher Hinweis erfolgen, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn er nicht genommen wird. Auch auf die mögliche Übertragung bis zum 31. März des Folgejahres ist hinzuweisen
  • Hinweis auf Sonderkonstellationen: Ebenso sollte darauf hingewiesen werden, dass in bestimmten Konstellationen, etwa längerer Erkrankung oder Elternzeit, auch kein Verfall am 31. März des Folgejahres eintritt. Nur dann ist der Hinweis vollständig zutreffend.
  • Textform: Für diese förmliche Information genügt die Textform, weshalb eine E-Mail an die jeweiligen Arbeitnehmer ausreicht.
  • Abstrakte Hinweise genügen nicht: Nicht ausreichend sind generalisierte Angaben in einem Merkblatt, einem Aushang, im Arbeitsvertrag oder in Kollektivvereinbarungen.
  • Jährlich (mindestens) einmaliger Hinweis: Grundsätzlich ausreichend ist die einmalige Hinweiserteilung im Jahr. Ein erneuter Hinweis ist nur dann notwendig, wenn der Arbeitgeber sich in Widerspruch zu seiner ursprünglichen Information setzt, etwa indem er den Urlaub aus bestimmten Gründen ablehnt oder anderweitige Anreize schafft, ihn nicht anzutreten. Dann ist ein erneuter Hinweis notwendig.
  • Beweislast: Der Arbeitgeber hat erforderlichenfalls darzulegen und zu beweisen, dass er diese Anforderungen erfüllt hat.

2. Rechtsfolge des erteilten Hinweises

 Wird ein den vorstehenden Grundsätzen genügender Hinweis erteilt und nimmt der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch nicht in Anspruch, tritt die bisher bekannte Rechtsfolge ein und der Urlaub verfällt ohne weitere Voraussetzungen grundsätzlich am Ende des jeweiligen Jahres. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Übertragungsgrund nach § 7 Abs. 3 S. 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) vorliegt. Dies ist der Fall, wenn der Urlaub aus dringenden betrieblichen (z.B. hohe Arbeitsauslastung) oder in der Person des Arbeitnehmers (z.B. Krankheit) liegenden Gründen nicht im laufenden Kalenderjahr genommen werden kann. Das BAG geht in Bezug auf diesen übertragenen Urlaub davon aus, dass er nur dann am 31. März des Folgejahres erlischt, wenn konkret auf diese Rechtsfolge hingewiesen wird. Auch insofern wird eine individuelle Information an den Arbeitnehmer unter Bezeichnung des jeweils übertragenen Urlaubs notwendig sein.

In bestimmten Fällen tritt auch kein Verfall am 31. März des Folgejahres ein: Bei andauernder Arbeitsunfähigkeit darf der Urlaub nach Auffassung des BAG grundsätzlich erst 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfallen. Beim Antritt der Elternzeit noch nicht genommener Urlaub darf ebenfalls nicht untergehen. Hier ist aber eine Kürzung des Urlaubsanspruchs für die Phase der Elternzeit zulässig.

3. Sonderfall:

Resturlaubsansprüche aus den vergangenen Jahren – keine zeitliche Begrenzung

Das BAG hat zudem darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des EuGH auch Auswirkungen auf potentielle Resturlaubsansprüche bereits abgelaufener Urlaubsjahre haben wird. Konkret entschieden wurde dies bereits vom Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (9. April 2019 – 4 Sa 242/18). Haben Arbeitnehmer in den letzten Jahren ihren Urlaub nicht vollständig genommen, können sie danach auch aus länger zurückliegenden Jahren ihre (vermeintlich verfallenen) Urlaubsansprüche nunmehr wieder mit der Begründung geltend machen, sie seien nicht auf den drohenden Verfall der Ansprüche hingewiesen worden. Allerdings kann der Arbeitgeber seine Hinweispflicht für die zurückliegenden Jahre nachholen. Dazu muss er im aktuellen Urlaubsjahr auch auf Resturlaubsansprüche aus den vorangegangenen Jahren konkret hinweisen, dazu auffordern diesen Urlaub im laufenden Kalenderjahr zu nehmen und auf den ansonsten drohenden Verfall zum Ende des Jahres hinweisen. Macht der Arbeitgeber dies nicht, tritt kein Verfall des Urlaubs ein. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht dann zudem das Risiko den Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch hinsichtlich des nicht gewährten Urlaubs zurückliegender Jahre erfüllen zu müssen.

4. Empfehlung

Wir empfehlen Ihnen den jährlichen Versand eines den obigen Anforderungen genügenden Hinweisschreibens an alle Arbeitnehmer. Dies sollte für das laufende Kalenderjahr möglichst zeitnah, spätestens jedoch bis zum Ende des dritten Quartals erfolgen, um eine Inanspruchnahme des Urlaubs bis zum Jahresende noch sicherstellen zu können. Dass der unterlassene Hinweis bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch finanzielle Auswirkungen haben kann, verdeutlicht die genannte Entscheidung des LAG Köln vom 9. April 2019 (4 Sa 242/18). Dort wurde ein Arbeitgeber zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung für die Jahre 2014, 2015 und 2016 von insgesamt EUR 3.600,00 verurteilt. Auch aus diesem Blickwinkel besteht also Handlungsbedarf.

Bezüglich der Vertragsgestaltung ist zudem zu beachten, dass die vorgenannte Rechtsprechung zwar lediglich für den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr gilt. Soweit den Arbeitnehmern vertraglich zusätzlicher Urlaub gewährt wird, gelten die gesetzlichen Grundsätze aber auch für diesen, es sei denn, es ist arbeitsvertraglich etwas Abweichendes vereinbart. Auch diesbezüglich gibt es vielfach Anpassungsbedarf.

Bei der konkreten Umsetzung dieser Anforderungen, insbesondere der Formulierung eines Hinweisschreibens, unterstützen wir Sie gerne!

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