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Vermeidung von Haftungsrisiken bei (drohender) Insolvenz

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Zentraler Dreh- und Angelpunkt bei der Minimierung von Haftungsrisiken bei drohender Insolvenz ist das engmaschige Monitoring der Unternehmensfinanzen.

Angesichts der wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie, gestörter Lieferketten und gestiegener Energiepreise sowie hoher Inflation wird weithin erwartet, dass in vielen Branchen Restrukturierungs- und Personalabbaumaßnahmen in den Fokus rücken werden. Wenn Restrukturierungsmaßnahmen vor dem Hintergrund einer (drohenden) Insolvenz durchzuführen sind, gilt es für Geschäftsführer und Vorstände, besonders sorgfältig zu agieren, um eine Haftung mit ihrem Privatvermögen und Strafbarkeitsrisiken zu vermeiden bzw. zu minimieren.

Blogserie: Restrukturierung

Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise und fragile Lieferketten – die derzeitigen Herausforderungen könnten größer kaum sein. Viele Unternehmen bringt dies an ihre Grenzen – nicht wenige auch darüber hinaus. Zusätzlich sind immer strengere rechtliche Anforderungen zu beachten.

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I.

Worum geht es?

Nach § 15a InsO ist der gesetzliche Vertreter einer juristischen Person, d.h. der Geschäftsführer einer GmbH bzw. der Vorstand einer AG, verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. Die gleiche Verpflichtung trifft nach § 42 Abs. 2 BGB den Vorstand eines Vereins oder einer Stiftung.

Der Gesetzgeber hatte zur Vermeidung einer Welle pandemiebedingter Insolvenzen die Insolvenzantragspflicht durch das rückwirkend zum 1. März 2020 in Kraft getretene COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) bis zum 30. September 2020 bzw. unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen bis zum 30. April 2021 weitgehend ausgesetzt und verschiedene ergänzende Regelungen zur Begrenzung der Organhaftung und zur Einschränkung der Insolvenzanfechtung getroffen. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht sollte Unternehmen, die durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten sind, die Zeit geben, sich unter Inanspruchnahme staatlicher Hilfsangebote und im Rahmen außergerichtlicher Verhandlungen zu sanieren. Mittlerweile ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die Begrenzung der Organhaftung für zahlungsunfähige Unternehmen ausgelaufen und es gelten für neu einzuleitende Insolvenzverfahren wieder die allgemeinen Regeln.

II.

Haftungsrisiken bei drohender Insolvenz

Wird in der Krise eines Unternehmens die drohende oder schon bestehende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung nicht rechtzeitig erkannt, ergeben sich für die gesetzlichen Vertreter zum Teil sehr weitreichende Haftungsgefahren und Strafbarkeitsrisiken. Zu den wichtigsten Risiken zählen:
Persönliche Haftung auf Ersatz von Zahlungen nach Insolvenzreife, die nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind (§ 15b Abs. 4 InsO)
Persönliche Haftung auf Ersatz von Auszahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen an Gesellschafter bzw. Aktionäre, die zur Zahlungsunfähigkeit führen mussten (§ 15b Abs. 5 InsO)
Strafbarkeit und persönliche Haftung auf Schadensersatz bei unterlassener, nicht rechtzeitiger und nicht ordnungsgemäßer Stellung eines Insolvenzantrags (§ 15a Abs. 4 InsO, § 15b Abs. 4, 5 InsO, § 823 Abs. 2 BGB)
Strafbarkeit und persönliche Haftung auf Schadensersatz bei Nichtabführung der (objektiv noch erfüllbaren) Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (§ 266a StGB, § 823 Abs. 2 BGB)
Strafbarkeit und persönliche Haftung auf Schadensersatz bei Nichtabführung der Lohnsteuer (§§ 69, 34 AO)
Die zum Teil mit einer Beweislastumkehr zu Lasten der gesetzlichen Vertreter ausgestaltete Haftung besteht unabhängig von einer etwa abweichenden internen Ressortverteilung und erstreckt sich auf das Privatvermögen aller Mitglieder des gesetzlichen Vertretungsorgans.

III.

Engmaschiges Monitoring der Unternehmensfinanzen / Aufstellung eines Liquiditätsstatus

Zentraler Dreh- und Angelpunkt bei der Vermeidung bzw. Minimierung der Haftungsrisiken ist das engmaschige Monitoring der Unternehmensfinanzen.
Nur wenn jederzeit Transparenz darüber herrscht, ob die Verbindlichkeiten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit aus den liquiden Mitteln bedient werden können bzw. das vorhandene Vermögen die bilanziellen Verbindlichkeiten deckt, lässt sich eine belastbare Aussage zur Insolvenzreife (Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bzw. Überschuldung (§ 19 InsO)) treffen. Außerdem kann der gesetzliche Vertreter nur bei kontinuierlicher Beobachtung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft seiner in der Krise bis zum Eintritt der Insolvenzantragspflicht bestehenden Restrukturierungs- und Sanierungspflicht nachkommen. Insgesamt muss der gesetzliche Vertreter für eine Organisation sorgen, die ihm jederzeit die erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Unternehmens ermöglicht (vgl. BGH, Urt. v. 19.065.2012 – II ZR 243/11). Bei Anzeichen einer Krise ist daher ein laufend aktuell zu haltender Liquiditätsstatus zu erstellen. In diese Liquiditätsplanung sind etwa auch die Kosten für Auslauflöhne und Abfindungen zu ihren jeweiligen Fälligkeitsterminen einzustellen, wenn der Eintritt einer Insolvenz durch eine Restrukturierung im Personalbereich verhindert werden soll.
Besondere praktische Bedeutung für die Haftungsrisiken der gesetzlichen Vertreter von Unternehmen haben zudem die durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22. Dezember 2020 mit Wirkung ab 1. Januar 2021 in die Insolvenzordnung eingefügten Regelungen in § 15b Abs. 2 InsO. Hiernach gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, bei rechtzeitiger Stellung eines Insolvenzantrags als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Solche Zahlungen begründen mithin keine persönliche Haftung der Geschäftsleiter. Im Rahmen des für eine rechtzeitige Antragstellung maßgeblichen Zeitraums gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 u. 2 InsO (unverzüglich, spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung) gilt dies allerdings nur, solange die Antragspflichtigen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. Angesichts dieser gesetzlichen Rahmenbedingungen gilt es, Zahlungen, die in der Krise des Unternehmens vorgenommen werden, besonders gewissenhaft auf die Einhaltung der Anforderungen an die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu überprüfen. Es empfiehlt sich insoweit, die Umstände und Beweggründe von Zahlungen umfassend zu dokumentieren.

IV.

Überprüfung und ggf. Anpassung der D&O-Versicherung

Zur Verringerung der Gefahr einer Haftung mit dem Privatvermögen ist außerdem eine Überprüfung der Reichweite der Versicherungsabdeckung durch eine bestehende D&O-Policy zu empfehlen.

Nach einer im Juni 2020 ausdrücklich bestätigten obergerichtlichen Rechtsprechung umfassen bislang gängige Klauseln in D&O-Versicherungsbedingungen, wonach der Versicherungsschutz die Abwehr unberechtigter Schadensersatzansprüche und die Freistellung von berechtigten Schadensersatzverpflichtungen umfasst, nicht den Ersatzanspruch einer insolvent gewordenen Gesellschaft gegen ihren versicherten Geschäftsführer wegen Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß der durch das SanInsFoG aufgehobenen Bestimmung des § 64 S. 1 GmbHG (OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.06.2020 – 4 U 134/18; Urt. v. 20.07.2018 – 4 U 93/16). Die gegen die Entscheidung vom 20.07.2018 eingelegte Revision wurde zurückgenommen (BGH, IV ZR 186/18), so dass eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage weiterhin aussteht. Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung können sog. „All-Risk“-Policen oder individuell ausgehandelte Zusatzdeckungen für Ansprüche aus § 15b InsO (bzw. § 64 GmbHG a.F. / § 92 Abs. 2 AktG a.F.) Abhilfe schaffen

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