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Arbeitsrecht im Metaverse – Virtuell & Augmented Reality als die Zukunft der Arbeit?!

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Das Metaverse verbinden viele aktuell noch mit Videospielen und Unterhaltungselektronik. Auch unser Arbeitsleben wird sich durch das Metaverse weiter verändern und es gibt bereits konkrete Anwendungsfelder wie Produktpräsentationen im E-Commerce-Bereich oder digitale Konferenzen im virtuellen Raum.

Laut einer Umfrage des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) aus dem Jahr 2022 haben die Mehrzahl der Führungskräfte in Unternehmen gesagt, dass das Metaverse in Zukunft für die Wirtschaft sehr relevant werden wird. Eine Einschätzung, die sich bestätigt hat, wie die aktuellen Entwicklungen eindrücklich zeigen. Höchste Zeit, sich mit einigen arbeitsrechtlichen Fragestellungen zu befassen. Angefangen vom Arbeitsort über das Weisungsrecht hin zum Gesundheits- und Arbeitsschutz – auch das Metaverse ist kein rechtsfreier Raum.


I.

Das Metaverse im Arbeitsleben – mehr als ein Science-Fiction-Szenario

Das Metaverse beschreibt eine digitale Umgebung, in der Benutzer miteinander interagieren, durch virtuelle Assets Geschäfte tätigen, virtuelle Räume erkunden oder ihre Freizeit gestalten.
Es handelt dabei – ähnlich wie beim Internet – nicht um ein Produkt, sondern um eine Konzept, welches vor allem durch Virtual-Reality(VR)- oder Augmented-Reality(AR)-Headsets erlebt werden kann. Es gibt verschiedene Plattformen von diversen Anbietern, die es den Benutzern ermöglichen, in diese digitalen Welten einzutauchen. So etwa „Horizon World“, „The Sandbox“ oder „Microsoft Mash“. Dabei spricht man überwiegend nicht von verschiedenen „Metaversen“, sondern von einem Metaverse mit verschiedenen Welten.
Bereits heute sind über die „klassischen“ Meeting-Plattformen im beruflichen Kontext Besprechungen in virtuellen 3D-Räumen und Interaktionen durch Avatare mit AR-Headsets möglich. Dies kann gerade bei mobil arbeitenden Teams zu einer stärkeren Vernetzung führen, man sitzt eben nicht mehr alleine vor seinem PC, sondern mit den Kolleg*innen im digitalen Raum. Selbst die komplette Verlagerung von Betrieben in das Metaverse ist denkbar und gerade in überwiegend digital arbeitenden Bereichen in naher Zukunft zu erwarten. Beispielsweise soll das vom Anbieter „Apple“ präsentierte Headset „Vision Pro“ als eine Art „räumlicher Computer“ (Spatial-Computing-Headset) fungieren und die virtuelle mit der realen Welt verknüpfen („Augmented Reality“). Das Metaverse ist also kein Science-Fiction-Szenario, sondern mit Blick auf die zunehmend digitale Arbeitswelt in vielen Bereichen real und wird künftig immer stärker Teil unserer Arbeitswelt sein.

Metaverse Use Case:

Das IT-Startup U löst seinen bisherigen Standort in K auf und stattet alle Beschäftigten mit entsprechender Soft- und Hardware – u.a. AR-Headsets und Peripheriegeräten – aus. In Zukunft sollen die Beschäftigten vollständig mobil und unter Verwendung von AR-Headsets in einer digitalen Welt arbeiten und sich dort austauschen. Dazu gestaltet U zahlreiche digitale Räume nach seinen Bedürfnissen, bspw. Meeting- und Pausenräume. Für neue Beschäftige findet ein digitaler Onboarding Prozess statt.

II.

Anwendbares Recht und Arbeitsort

Das Metaverse erlaubt es, dass die Beschäftigen von unterschiedlichen Orten arbeiten und an gemeinsamen Meetings in der digitalen Welt durch ihre Avatare teilnehmen.
Für die Frage, welche Rechtsordnung anwendbar ist, kommt es grundsätzlich auf den gewöhnlichen Arbeitsort an. Aktuell wird man noch auf den Bereich abstellen können, in dem sich die Beschäftigten tatsächlich aufhalten. Sitzen Beschäftigte physisch mit ihrer Hard- und Software in Deutschland, ist deutsches Recht anwendbar. Um auch künftig Unklarheiten bestmöglich zu vermeiden, sollte durch eine ausdrückliche Rechtswahl das anwendbare Recht – im Rahmen der zulässigen Grenzen – festgelegt werden.

Praxishinweis:

Im Arbeitsrecht ist zwar eine Rechtswahl möglich, diese darf aber nicht willkürlich erfolgen und dazu führen, dass Beschäftigten zwingende Schutzrechte entzogen werden. Die ist im Einzelfall zu prüfen.
Durchaus spannend und in der Praxis schwierig kann die Zuordnung zu einem bestimmten Betrieb sein. So ist etwa für den Kündigungsschutz und die Bildung von Betriebsräten eine Zuordnung der Beschäftigten zu einem Betrieb wichtig und rechtlich relevant. Dabei kommt es nicht auf die räumliche Anknüpfung an. Ein wesentliches Kriterium für die Zuordnung bildet der jeweilige (digitale) Leitungsapparat. Entscheidend ist, wer die wesentlichen Arbeitgeberentscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten trifft. Bei Unternehmen, die bereits ausschließlich in digitalen Räumen agieren, kann es folglich auch einen „digitalen Betrieb“ im Metaverse geben.

Metaverse Use Case:

Im Fall von U existiert kein räumlicher Betrieb mehr. Die Leitung und der HR-Bereich sitzen aber in Deutschland. Diese sind gegenüber allen Beschäftigten, die verteilt in Deutschland und Europa mobil arbeiten, weisungsbefugt. Die Beschäftigten arbeiten ausschließlich für das deutsche Startup U. Jedenfalls die in Deutschland mobil arbeitenden Beschäftigten können bei einer solchen einheitlichen Leitung als ein Betrieb angesehen werden. Arbeiten Personen dauerhaft mobil aus dem Ausland, findet ohne entsprechende Rechtswahl das dortige Recht Anwendung. Die Vereinbarung von deutschem Recht ist in diesem Fall möglich, darf aber nicht zu einer Beschneidung zwingender Schutzrechte des jeweiligen Aufenthaltsstaates führen.

Praxishinweis:

Wie beim „normalen“ mobilen Office ist auch bei der Arbeit im Metaverse das Steuer- und Sozialversicherungsrecht in den Blick zu nehmen. Hier entstehen gerade bei dauerhaften Tätigkeiten aus dem Ausland rechtliche Probleme. Mehr dazu finden Sie in unserem Blog.


III.

„Einführung“ der Arbeit im Metaverse

Auch bei der Arbeit im Metaverse gilt das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Dieser kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen bestimmen.
Sollen Beschäftigte etwa teilweise an Meetings im Metaverse teilnehmen, kann der Arbeitgeber dies anordnen. Dies ist nicht anders zu bewerten als die Teilnahme an physischen Konferenzen oder Videocalls. Anders zu beurteilen ist indes die vollständige Tätigkeit im Metaverse. Möchten Unternehmen Tätigkeiten einzelner Beschäftigter oder ganze Betriebe vollständig in die digitale Welt verlagern, wird dies nicht einseitig durchsetzbar sein. In diesem Bereich spielen zahlreiche rechtliche und tatsächliche Aspekte eine Rolle:
  • In tatsächlicher Hinsicht wird es bereits wenig Sinn machen, Beschäftigte gegen ihren Willen eine ausschließliche Arbeit im Metaverse anzuordnen.
  • In rechtlicher Hinsicht geht diese Arbeit regelmäßig mit mobiler Arbeit bzw. Arbeit im Homeoffice einher, die – jedenfalls nicht ohne Weiteres – einseitig angeordnet werden kann. Auch handelt es sich um eine Versetzung, bei der der Betriebsrat zu beteiligen ist.
  • Schließlich wird zu berücksichtigen sein, dass der Wechsel hin zu einer vollständigen Arbeit im Metaverse auch eine Betriebsänderung darstellt, da grundlegend neue Arbeitsmethoden eingeführt werden. Dies führt in Betrieben mit Betriebsrat zum Erfordernis von Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen. Zahlreiche weitere Beteiligungsrechte des Betriebsrates, etwa im Gesundheitsschutz, der Ordnung des Betriebes oder der Kontrolle der Beschäftigten, kommen hinzu.
  • Auch darüber hinaus kann sich die Arbeit – bspw. durch die Verwendung entsprechender Hard- und Software (z.B. VR-Brillen o.ä.) – derart weitreichend verändern, dass diese Veränderungen nicht mehr vom Weisungsrecht des Arbeitgebers erfasst sind. Es ist eben mehr als nur eine räumliche Verlagerung, da sich auch die Art der Arbeit grundlegend ändert.

Praxishinweis:

Wollen Unternehmen dauerhaft die Arbeit in das Metaverse verlagern, sollten dazu vertragliche Grundlagen und klare Regelungen geschaffen werden („Metaverse-Arbeitsvertrag“). Auch der Betriebsrat ist einzubinden. Eine – in der Praxis aktuell noch deutlich verbreitetere – lediglich teilweise Tätigkeit im Metaverse kann indes im Rahmen des Weisungsrechtes angeordnet werden.

Metaverse Use Case:

U muss seinen Betriebsrat für die Einführung beteiligen. Auch sollte es mit den Beschäftigten – wie bei der Einführung mobiler Arbeit – entsprechende Zusatzvereinbarungen abschließen und insbesondere neue Arbeitsverträge anpassen. U hat dazu zusammen mit der Kanzlei K aus K einen „Metaverse Arbeitsvertrag“ entwickelt.

IV.

Weisungsrecht im Metaverse

Auch im digitalen Raum gilt das Weisungsrecht des Arbeitgebers. Die ersten praktischen Fälle zeigen, dass besonders die Gestaltung der Avatare für Diskussionen sorgen kann. Avatare sind digitale Repräsentanten der Beschäftigten.
Sie vollziehen die Bewegungen und Sprache der tatsächlichen Personen im Wesentlichen nach. Gerade wenn es um Meetings mit Kunden geht, haben Unternehmen ein Interesse daran, das Avatare sich angemessen verhalten und ihre Gestaltung die Unternehmenskultur wiedergibt. Dabei kann der Arbeitgeber Grundsätze für das äußere Erscheinungsbild und auch eine Business Etikette festlegen, muss aber die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigen berücksichtigen. Wie im realen Leben kann der Arbeitgeber verlangen, dass die Kleidung und das äußere Erscheinungsbild sowie das Verhalten für das jeweilige Arbeitsumfeld angemessen sind.

Metaverse Use Case:

U hat mit der Kanzlei K eine umfangreiche Avatar Etikette für die Beschäftigten entwickelt. Darin sind Regelungen zum Aussehen und der Gestaltung festgelegt. Auch ist geregelt, wie sich die Avatare gerade in Räumen mit Kundenkontakt zu verhalten haben (bspw. ein Verbot in Meeting Räumen zu tanzen). Im Wesentlichen sollen sich die Beschäftigten die Frage stellen: Würden sie sich so auch verhalten, wenn sie sich in einem realen Meeting befinden würde?

V.

Arbeitsrecht im Metaverse

Ein praktisches Problem kann insbesondere bei der Arbeitszeit auftreten. Das Arbeitszeitgesetz ist nicht ansatzweise an digitale Arbeitsformen angepasst, was zu Unsicherheiten führt.
Im Metaverse gibt es keine bestimmte „Zeit“, weshalb Arbeitszeit, Pausen und Freizeit immer stärker verschwimmen. Dabei stellt sich die Frage, welche konkreten Zeiten überhaupt noch „Arbeit“ sind und wie diese erfasst werden können. Bei klassischen Meetings im Metaverse ist dies eindeutig, aber was gilt, wenn man sich im „digitalen Coffee-Corner“ mit Kollegen unterhält oder in den digitalen Räumen des Arbeitgebers Freizeitaktivitäten nachgeht. Es gibt im Metaverse keine zeitliche oder räumliche Begrenzung. Der Gamification-Charakter macht eine Zuordnung schwierig und birgt zugleich Risiken, auch für die Gesundheit der Beschäftigten.

Metaverse Use Case:

U bietet in seinen Räumen nicht nur Meetings an, sondern auch Bereiche, in denen sich Beschäftigte bzw. ihre Avatare austauschen, gemeinsam Essen oder Spiele spielen können. U hat dazu ebenfalls eine Guideline mit einigen FAQ zur Arbeitszeit veröffentlicht. Auch weist U darauf hin, dass etwa das dauerhafte Tragen von AR-Headsets belastend sein kann und „Offline-Zeiten sowie die „Rückkehr in die reale Welt“ wichtig sind.

VI.

Verhaltensregeln, Code of Conduct und Belästigungen

Gerade in der digitalen Welt kommt es zu Fehlverhalten und Belästigungen. Dies ist längst kein hypothetisches Problem, wie verschiedene Presseberichte zeigen.

Die rechtliche Behandlung ist indes in vielen Bereichen unklar. Bereits das Internet verdeutlicht, welche Risiken durch die vermeintliche Anonymität bestehen. Das Unternehmen „Meta“ hat aus diesen Gründen beispielsweise eine Safe-Zone eingeführt, die als Rückzugsort in der digitalen Welt dient und Grenzen festgelegt, um zu verhindern, dass sich Avatare zu nah kommen. Noch größeres Risiko besteht in der „Augmented Reality“, wo die reale und virtuelle Welt verschwimmen.

Damit ist es für Unternehmen unerlässlich, klare Regeln für das Verhalten im Metaverse aufzustellen. Es muss klar werden, dass auch in diesem Bereich Übergriffe und Belästigungen verboten sind und arbeitsrechtlich sanktioniert werden können. Dabei sind Beleidigungen und Fehlverhalten eines Avatars dem jeweiligen Beschäftigen zuzurechnen und könne daher auch zu Abmahnungen und Kündigungen führen. Letztere müssen indes (noch) in der realen Welt übergeben werden (Schriftform).

Metaverse Use Case:

Bei U gab es Vorfälle, in denen sich Avatare von Beschäftigten sehr nah gekommen sind. U hat– auch zur Umsetzung der Vorgaben zum Hinweisgeberschutz – einen digitalen Bereich eingerichtet, in den sich Beschäftigte zurückziehen und Vorfälle gemeldet werden können. Zugleich hat U – mit dem Compliance Team der Kanzlei K – einen umfassenden Metaverse Code of Conduct eingeführt. Die Kernbotschaft: Dein Avatar sollte nichts tun, was du nicht auch im realen Leben tun würdest. Wenn Du dir unsicher bist, frag lieber nach.


VII.

Gesundheitsschutz

Auch der Schutz der Gesundheit spielt eine große Rolle. Unternehmen müssen eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen und die speziellen Risiken der Arbeit im Metaverse analysieren und bestmöglich abstellen.
Diese Risiken werden enorm vielfältig sein: Sie beginnen beim Verschwimmen der Grenzen von Arbeit- und Freizeit, gehen über Belastungen durch das Tragen von Headsets bis hin zu psychischen Risiken durch die ausschließliche Tätigkeit in einer digitalen Welt. Auch in diesem Bereich des Gesundheitsschutzes hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht und ist einzubinden.

Praxishinweis:

Das Europäischen Parlaments hat ein Briefing zu den Chancen, Risiken und politischen Implikationen des Metaverse herausgegeben. Auch dort wird der Gesundheitsschutz als eine zentrale Herausforderung benannt.

Metaverse Use Case:

U bietet digitale Schulungen zum Gesundheitsschutz, zur Bedeutung von Bewegung und den Gefahren des Metaverse an, um Beschäftigte zu sensibilisieren. Die Teilnahme an den Schulungen ist verpflichtend.

VIII.

Kontrolle und Datenschutz

Im Metaverse werden zahlreiche personenbezogene Daten erfasst. AR-Headsets können das Verhalten und Äußerungen von Avataren erfassen und verarbeiten.
Es muss daher konkret analysiert werden, welche Daten für die Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Darüber hinaus kann und sollte geprüft werden, in welchem Umfang die Datenverarbeitung auf Einwilligungen gestützt werden kann oder durch Betriebsvereinbarungen zu regeln ist.

Metaverse Use Case:

U hat mit seinem Betriebsrat umfangreiche Betriebsvereinbarungen zu den genutzten IT-Systemen abgeschlossen und dort auch Themen wie Kontrolle der Arbeitsleitung und Datenschutz geregelt. U hat dabei sicherlich den Vorteil, dass seine Beschäftigten ein hohes Verständnis von IT-Systemen und digitalen Plattformen haben.

IX.

Fazit und Ausblick

Das Metaverse und das Arbeiten in digitalen Welten stellt das (Arbeits-)Recht vor Herausforderungen.
Viele Bereiche lassen sich durch sinnvolle und einheitliche Vorgaben innerhalb der Unternehmen regeln. Aktuell sind die geltenden rechtlichen Regelungen noch auf die virtuelle Welt übertragbar, der Gesetzgeber wird aber bald nachbessern müssen. Die Entwicklungen sind spannend und werden unsere Arbeitswelt in naher Zukunft erheblich verändern. Um die rechtlichen Herausforderungen zu bewältigen, steht Ihnen insbesondere unser „Digital New Work & Datenschutz“-Team gerne zur Verfügung.

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