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Mehr Homeoffice, geringere Heizkosten – Arbeitsrecht in Zeiten der Energiekrise

heizkosten

Die EU-Mitgliedstaaten haben vereinbart, ihren Gasverbrauch zwischen dem 1. August 2022 und dem 31. März 2023 mit Maßnahmen ihrer Wahl um 15 % gegenüber dem Durchschnittsverbrauch der letzten fünf Jahre zu senken („Verordnung des Rates zur Senkung der Gasnachfrage“).

Einige Mitgliedstaaten haben bereits umfangreiche Pläne zum Einsparen von Energie aufgestellt. Neben dem Abschalten von Beleuchtungen und Vorgaben zum Heizen und Klimatisieren kommt auch die stärkere Nutzung von Homeoffice in Betracht. In Deutschland sehen Experten ein erhebliches Energiesparpotenzial durch den Ausbau von Homeoffice, insbesondere weil der Arbeitsweg eingespart werden könnte. Auch über niedrigere Raumtemperaturen am Arbeitsplatz wird diskutiert. Welche Maßnahmen der Gesetzgeber im Einzelnen ergreift, ist noch nicht absehbar. Zugleich entwerfen viele Unternehmen bereits Konzepte zum Energieeinsparen, die auch arbeitsrechtliche Aspekte betreffen. Wir möchten einen Überblick zu aktuellen rechtlichen Vorgaben und denkbaren Handlungsoptionen geben.

I.

Einführung von Homeoffice kraft Weisung des Arbeitgebers?

Die Einführung von Homeoffice zum Energiesparen wird zunehmend – teils sehr emotional – diskutiert. Insofern lohnt sich ein Blick auf die (aktuellen) rechtlichen Rahmenbedingungen.

1. Grundlagen

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers bezieht sich auch auf die Bestimmung des Ortes der Arbeitsleistung (§ 106 GewO). Dennoch kann er grundsätzlich keine Homeoffice-Tätigkeit einseitig anzuordnen. Hintergrund ist, dass durch eine solche Anweisung in die durch Art. 13 GG garantierte Verfügungsbefugnis des Beschäftigten über ihre Wohnung eingegriffen würde. Beschäftigte müssten dann einen Teil ihrer Wohnung – gegen Ihren Willen – als Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Dieser grundrechtliche Schutz der Wohnung wirkt mittelbar auch im Arbeitsverhältnis und begrenzt das arbeitgeberseitige Weisungsrecht (vgl. auch LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.11.2018 – 17 Sa 562/18).

2. Ausnahmen in Krisenfällen?

In der juristischen Literatur wird vertreten, dass dieses Weisungsrecht des Arbeitgebers in besonderen Not- und Gefahrensituation vorrübergehend erweitert werden könnte. In diesen Fällen sollen Beschäftigte mit Blick auf ihre vertraglichen Rücksichtnahmepflichten auch eine Weisung hinzunehmen haben, vorübergehend im Homeoffice zu arbeiten. Dies wurde zuletzt im Zuge der Corona-Pandemie angenommen, in der es aus Gründen des Arbeitsschutzes um eine Begrenzung der Kontakte innerhalb des Betriebes ging (vgl. so etwa der Vizepräsident des Bundesarbeitsgericht Dr. Rüdiger Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, § 46 Rn. 30b).
Letztendlich wird es stets erforderlich sein, dass im Einzelfall die Homeoffice-Tätigkeit zur Abwendung erheblicher – die Existenz des Unternehmens bedrohender – Schäden erforderlich ist. Alleine steigende Energiekosten werden nicht genügen, sofern aber die fehlenden Energiereserven zu einer erheblichen wirtschaftlichen Notlage führen, wird man darüber nachdenken müssen. Darüber hinaus wird sich eine solche Anweisung zur Homeoffice-Tätigkeit nur dann in den Grenzen billigen Ermessens bewegen, wenn Beschäftigte über entsprechende Räumlichkeiten verfügen.

3. Erweiterung des Weisungsrechtes durch Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge?

Im Grundsatz kann auch durch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen keine einseitige Homeoffice-Pflicht implementiert werden, da dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in die private Lebensführung der betroffenen Beschäftigten begründet. Auch hier stellt sich aber in besonderen Krisensituationen die Frage, ob eine vorübergehende Pflicht zur Homeoffice-Tätigkeit vor dem Hintergrund ansonsten drohender, erheblicher Gefahr möglich sein kann. Es gelten aber ebenfalls hohe Anforderungen.

II.

Kostentragung

Mit der Frage der Einführung des Homeoffice ist noch nicht geklärt, wer die anfallenden zusätzlichen Kosten zu tragen hat. Die Beschäftigen stellen im Fall des Homeoffice ihre Wohnfläche für einen gewissen Zeitraum faktisch dem Arbeitgeber zur Verfügung. Neben den erforderlichen Arbeitsmaterialien entstehen auch Nebenkosten, insbesondere Strom- bzw. Heizkosten. Diese Kosten sind regelmäßig als Aufwendungsersatz durch den Arbeitgeber erstattungsfähig (vgl. § 670 BGB).

Hinweis:

Da der Anteil der Kosten indes überaus schwierig zu berechnen sein wird, haben sich in der Praxis Pauschalierungsabreden durchgesetzt, wonach Beschäftigte einen bestimmten Betrag zur Abgeltung der Kosten erhalten.
Der Arbeitgeber muss allerdings solche Aufwendungen nicht tragen, die zu einem erheblichen Umfang auch im Interesse der Beschäftigten liegen. Überwiegt das Interesse des Beschäftigten an der Einrichtung des Homeoffice-Arbeitsplatzes scheidet ein Aufwendungsersatzanspruch aus (vgl. BAG, Urt. v. 12. 4. 2011 − 9 AZR 14/10). Dazu wird im Fall des „krisenbedingten“ Homeoffice aber die reine Zeit- und Kostenersparung aufgrund der wegfallenden Arbeitsweges nicht ausreichen. Im Gegenteil läge die Homeoffice-Tätigkeit ganz überwiegend im Interesse des Arbeitgebers.

Beispiel:

Ein überwiegendes Interesse der Beschäftigten kann dann vorliegen, wenn ihnen freigestellt wird, wo sie arbeiten und ihnen auch im Betrieb ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, den sie alternativ zum Homeoffice nutzen können. Dann verzichtet der Arbeitgeber auf sein Direktionsrecht, was zu einem „Gewinn an individueller Freiheit“ bei den Beschäftigten führt (BAG, Urt. v. 12. 4. 2011 − 9 AZR 14/10, Rdn. 29).

III.

Kommt eine gesetzliche Homeoffice-Pflicht?

Es lässt sich aktuell nur darüber spekulieren, ob der Gesetzgeber eine Homeoffice-Pflicht gesetzlich verankern wird. In der Corona-Pandemie wurde für Bürotätigkeiten und vergleichbare Arbeiten angeordnet, dass Arbeitgeber Homeoffice anbieten müssen und Beschäftigte dieses Angebot anzunehmen haben, wenn ihrerseits keine „Gründe entgegenstehen“ (vgl. § 28b Abs. 4 IfSG-aF). Da es insofern aber vor allem um die Vermeidung von Kontakten am Arbeitsplatz und den Arbeitsschutz ging, ist die Situation mit einer Energiekrise nicht vergleichbar. Die Entwicklungen in diesem Bereich bleiben also spannend.

IV.

Senkung der Temperaturen in Büroräumen

Nach den europäischen Plänen sollen private Haushalte und wesentliche Infrastrukturbereiche nach Möglichkeit weniger beeinträchtigt werden. Private Unternehmen können allerdings durch die Konzepte zum Energiesparen durchaus stärker betroffen sein, weshalb auch über Möglichkeiten zur Absenkung der Temperaturen in Büroräumlichkeiten diskutiert wird. Die EU-Kommission hat etwa als Obergrenze für öffentliche Gebäude und Büroräumlichkeiten eine Temperatur von 19 Grad vorgeschlagen.

1. Aktuelle Vorgaben zu Raumtemperaturen

Aktuell schreibt die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) eine „gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur“ vor (§ 3 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 3.5 des Anhangs der ArbStättV). Diese sehr allgemeine Anforderung wird durch die „Technischen Regeln Arbeitsstätten“ (ASR A3.4) konkretisiert.

Danach gilt aktuell Folgendes für die Raumtemperaturen:

Überwiegende Körperhaltung: Sitzen

ArbeitsschwereRaumtemperatur
leicht
+20 °C
mittel
+19 °C
schwer
-
Arbeitsschwere:
Raumtemperatur:
leicht
+20 °C
mittel
+19 °C
schwer
-

Überwiegende Körperhaltung: Stehen, Gehen

ArbeitsschwereRaumtemperatur
leicht
+19 °C
mittel
+17 °C
schwer
+12 °C
Arbeitsschwere:
Raumtemperatur:
leicht
+19 °C
mittel
+17 °C
schwer
+12 °C
Es finden sich auch weitere Vorgaben zur Konkretisierung der Arbeitsschwere. So werden als leichte Arbeiten „leichte Hand-/Armarbeit bei ruhigem Sitzen bzw. Stehen verbunden mit gelegentlichem Gehen“ definiert. Für übliche Bürotätigkeiten gilt damit eine Mindesttemperatur von 20 °C.

Hinweis:

In rechtlicher Hinsicht stammen diese konkreten Vorgaben zu den Temperaturen vom Ausschuss für Arbeitsstätten beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in dem verschiedene fachkundige Vertreter der Arbeitgeber, der Gewerkschaften, der Länderbehörden, der gesetzlichen Unfallversicherung und der Wissenschaft sitzen (vgl. § 7 ArbStättV). Natürlich kann dieser Ausschuss die Vorgaben an Raumtemperaturen auch (kurzfristig) anpassen bzw. Ausnahmen für bestimmte Krisensituationen definieren.

Sämtliche Arbeitsschutzregeln finden Sie auf der Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA).

2. Was passiert, wenn die Temperaturen nicht erreicht werden?

Werden die Mindesttemperaturen trotz Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten nicht erreicht, soll der Schutz gegen zu niedrige Temperaturen durch zusätzliche Maßnahmen in folgender Reihenfolge sichergestellt werden:
  • arbeitsplatzbezogene technische Maßnahmen (z. B. Wärmestrahlungsheizung, Heizmatten),
  • organisatorische Maßnahmen (z. B. Aufwärmzeiten),
  • personenbezogene Maßnahmen (z. B. geeignete Kleidung)
Bereits die aktuellen „Technischen Regeln Arbeitsstätten“ sehen also alternative Maßnahmen vor. Zugleich geben diese Regeln „nur“ den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene wieder und gelten nicht unmittelbar und zwingend. Der Arbeitgeber kann also auch andere Lösungen wählen, muss dann aber nachweisen, dass mindestens die gleiche Sicherheit für den Schutz der Gesundheit der Beschäftigten erreicht wird (vgl. § 3a Abs. 1 S. 4 ArbStättV). Ob also niedrige Temperaturen durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden können, kann nur im jeweiligen Einzelfall unter Beachtung der Arbeitssituation unter Einbindung des Betriebsrates bewertet werden.

Beachte:

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen. Die Mitbestimmung besteht „im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften“, also nur dort, wo eine gesetzliche Rahmenregelung Auslegungsspielräume belässt. Der Betriebsrat ist folglich auch bei der Gefährdungsbeurteilung zu beteiligen, da das Arbeitsschutzgesetz das Verfahren der Beurteilung nicht im Detail regelt (vgl. BAG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 1 ABR 4/03). Auch bei der Festlegung konkreter Arbeitsschutzmaßnahmen ist er jedenfalls dort einzubeziehen, wo keine zwingenden gesetzlichen Vorgaben bestehen. Dies kann etwa bei alternativen Schutzmaßnahmen bei geringerer Raumtemperatur der Fall sein.
Beschäftigte dürfen im Übrigen nicht einfach zu Hause bleiben, wenn die Temperatur im Büro zu niedrig ist. Ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung wäre nur in dem absoluten Ausnahmefall möglich, in dem ein ganz konkretes und erhebliches Gesundheitsrisiko bestünde und der Arbeitgeber keinerlei Abhilfe schafft.

V.

Ausblick - gemeinsame Bemühungen erforderlich

Unternehmen und Beschäftigte werden sich spätestens ab dem kommenden Winter auf Energieengpässe vorbereiten müssen. Ein verpflichtendes Einführen von Homeoffice gegen den Willen von Beschäftigten dürfte dabei der denkbar schlechteste Weg zum Energiesparen sein, da dies neben den erheblichen rechtlichen Hürden auch personalpolitisch wenig sinnvoll erscheint. Indes können einvernehmliche Lösung zum Homeoffice unter Einbindung des Betriebsrates durchaus zielführend sein und Einsparungsoptionen für alle Beteiligten eröffnen. Auch ein geringfügiges Absenken der Raumtemperaturen oder Guidelines zum Heizen und Lüften können Handlungsoptionen sein.
Wir danken unserer Referendarin Frau Julia Spangler für die Mitwirkung an diesem Artikel.

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